blue seascapes 2
2002, 70 x 90 cm

Christoph Beer verwirklicht seine jüngeren Arbeiten wieder im traditionellen Sinne als analoge Fotografie. Die unmittelbare Bindung zur sichtbaren Welt will er bewusst wahren. Das visuell Vorgefundene stellt für ihn eine unantastbare und auch im Nachhinein nicht zu manipulierende objektive Gegebenheit dar. Seine Fotografien sind authentische Aufnahmen des äußeren Gegenübers und haben dennoch programmatischen Charakter. Beer sucht seine Motive nicht mit nüchternem Kalkül, sondern er findet oder besser entdeckt sie mitunter zufällig. Allerdings hat dieser Zufall Methode und spiegelt einmal mehr den Sinn des Künstlers für konzeptionelles Sehen. Sein Blick richtet sich dabei auf unspektakuläre Motive der äußeren Realität in meist außergewöhnlichen atmosphärischen Verhältnissen: die Landschaft zur blauen Stunde nach Sonnenuntergang oder im diffusen Licht vor bedecktem Winterhimmel und verschneitem Grund. Aber dem Künstler geht es nicht um die stimmungsvolle Oberfläche der Erscheinung. Hinter seinen ruhigen, klar strukturierten und mit Vorliebe zentralperspektivisch angelegten Bildern verbergen sich letztlich Bildstrategien, die einerseits auf Irritation und andererseits auf Intensivierung unserer Wahrnehmung abzielen. In der 8-teiligen Serie Blue Seascapes folgt Beer lediglich den normierten Standards der Kamera. Mit korrekter Belichtungszeit, also weder mit Unter- noch Überbelichtung und auch ohne nachträgliche Farbmanipulation im Bildbearbeitungsprogramm des Rechners, hält er die momentane Erscheinungen der physische Realität auf dem lichtempfindlichen Film fest.

Durch die Variation seines Blickwinkels komponierte er das Bildarrangement im Sucher der Kamera, lässt das traditionelle harmonische Maßverhältnis des Goldenen Schnittes außer Acht und drängt die Horizontlinie in allen Arbeiten der Serie konsequent zur Bildmitte. Wie eine systematisierende Schablone legt er dieses kompositorische Element der Bildgestaltung allen Einzelaufnahmen zu Grunde. Die vor dem Horizont parallel lagernden oder zum Mittelpunkt zulaufenden Wellenbrecher verweisen in ihrer augenscheinlichen Geradlinigkeit auf den gestaltenden Eingriff des Menschen in die Natur, dem sich nur die lebendigen Wolkenformationen entziehen, die ihre amorphen Spiegelbilder auf die glatte Wasseroberfläche werfen. Christoph Beer erweist sich als aufmerksamer und distanzierter Beobachter und präsentiert die künstlich manipulierte Naturlandschaft als uniformes Modell, das nicht allein den inhärenten Gestaltungskräften der Natur unterliegt, sondern vielmehr dem Maß und den Ordnungskategorien der menschlichen Spezies. Er spielt allerdings auch mit der Verunsicherung unserer Wahrnehmung, bricht die Ruhe der strengen formalästhetischen Gestaltung durch das ungewöhnliche Licht- und Schattenspiel seiner Bilder auf und verleiht der scheinbaren Romantik etwas Dramatisches und Apokalyptisches.

Holger Peter Saupe